Hannah Arendt – ein Name, den man kennt. Vielleicht auch eine Stimme, die man hört. Rau, ein wenig kratzig, und doch angenehm. Seitdem ich mir das Interview „Zur Person“ mit Hannah Arendt und Günter Gaus (1964) angesehen habe, höre ich immer mal wieder ihre Stimme, wenn ich Texte von ihr lesen. Bevor ich mich näher mit ihren Texten und ihrer Person beschäftigt habe, konnte ich nicht nachvollziehen, warum gerade sie, gerade ihre Thesen, Essays, Texte wieder so viel gelesen werden. Erst im letzten Jahr gab es z.B. eine Ausstellung über Arendt in Berlin, dazu erschien ein dicker Begleitband: „Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert“ (2020) Und Richard J. Bernstein nennt sie in seinem ebenfalls letzten Jahr erschienenen Buch „Denkerin der Stunde“ (2020).

Nicht wenige Texte sind tatsächlich erschreckend aktuell, einfühlsam, und nicht nur, aber auch deswegen so spannend zu lesen (vgl. Wir Flüchtlinge, 1943, dt. 1986). In „Denkerin der Stunde“ liest Bernstein Arendts bekannteste Texte mit Hinblick auf aktuelle politische Debatten, verbindet Theorie und Weltgeschehen auf scheinbar mühelose Weise. Meiner Meinung nach geschieht dies manchmal eher auf Biegen und Brechen, aber manchmal eben auch nahezu kinderleicht. Besonders die Passagen über „Wahrheit, Politik und Lüge“ (Bernstein 2020: 76) haben es mir persönlich angetan.

Meine anfängliche Neugierde auf Arendt wurde durch den Kauf eines Buches angeregt: „Philosophinnen“ von Rebecca Buxton und Lisa Whiting (2020). Eine Aufnahme in dieses Buch hätte Arendt wahrscheinlich abgelehnt, wenn sie gefragt worden wäre. Sie hat sich zeit ihrer Karriere und trotz ihres erfolgreichen Philosophie-Studiums, nie als Philosophin betrachtet, sondern als politische Theoretikerin verstanden. Und es ist genau diese Spannung, oder dieser Zusammenschluss von Philosophie und Politik, der ihre Texte so komplex und die Lektüre so lohnenswert machen. Ihre Texte lassen sich keiner einzigen abgeschlossenen Theorie zuordnen, vielmehr ging es ihr insgesamt um das Wesen der Politik, das Wesen des politischen Lebens eines jeden Menschen. Der Kauf von „Philosophinnen“ fiel genau auf jene Zeit in den Semesterferien, in denen ein*e jede*r Studierende*r sich darum kümmern muss, seine Zeit im nächsten Semester zu planen – und siehe da, ein Hannah-Arendt-Kurs, wie spannend.

Hintergrund – einige unvollständige Überlegungen

In diesem Text soll es nicht um Arendts Privatleben gehen (für die Kurzform gerne in den Reclam-Band von Anette Vowinckel schauen), oder gar um ihre bekanntesten Werke, darunter „Origins of Totalitarianism“ oder „Die Banalität des Bösen“ (und die darauffolgende Kontroverse). In diesem Beitrag soll es vielmehr darum gehen, wie wir Denker*innen lesen (können), die unter anderem rassistische Denkmuster und Stereotype reproduziert haben, und gleichzeitig auch wichtige und nötige Beiträge zum Verständnis von Freiheit, Macht, politischem Handeln und Teilhabe geleistet haben.

Arendt ist da eine besonders interessante Persönlichkeit; wohl die bekannteste deutsch-amerikanische politische Theoretikerin, Philosophin und Autorin ihrer Zeit – eine Frau im Herrenclub. Wieder eine Phrase, die sie wahrscheinlich abgelehnt hätte, vielleicht zurecht, Herrenclub klingt inzwischen nach locker room talk, oder vielleicht tat es das schon immer. Tatsache ist aber, dass sie wirklich als weibliche Theoretikerin allein auf weiter Flur stand, zumindest, was öffentliche Präsenz und Prestige anging. Vielleicht lag das auch daran, dass sich sie, anders als z.B. Simone de Beauvoir zur selben Zeit, nicht mit feministischem Aktivismus und feministischer Politik beschäftigt hat, sondern mit dem zugegebenermaßen vagen Bereich des Wesens der Politik. Arendt hat der Idee generell ablehnend gegenübergestanden, aufgrund von Identitätsmarkern politische Entscheidungen zu treffen: „… sondern [sie] betonte immer wieder voller Stolz, dass sie nach den sie bedrückenden Erfahrungen der letzten 15 bis 20 Jahre jeden Glauben an irgendeinen »Ismus« verloren habe und als einzige politische Instanz nur noch das bürgerliche Subjekt in seiner persönlichen Unabhängigkeit von allen ideologischen Vereinnahmungen oder gar Indienstnahmen anerkenne“ (Hermand 2005: 24).

Arendt schrieb in ihren Texten immer über das politische Handeln des Menschen, nicht des Mannes, nicht der Frau. Und doch komme ich nicht daran vorbei, mich zu fragen, welche Erkenntnisse wir wohl von ihr lesen dürften, hätte sie sich mit ebenjenen sozialen Konstrukten wie Geschlecht wirklich auseinandergesetzt. Diese „Ismen“, die sie so bereitwillig von sich geschoben hat, haben unsere Gesellschaft, unsere Politik und damit auch das Wesen unserer Politik nun einmal maßgeblich geprägt – mehr noch, diese „Ismen“ sind untrennbar vom Wesen der Politik, wie wir es kennen. Arendt selbst war sowohl marginalisiert, aufgrund ihrer Religion, ihrer Flucht-Erfahrung, ihres Geschlechts – und gleichzeitig privilegiert: „Arendts Welt blieb allerdings in vielerlei Hinsicht noch immer die Welt der wohlsituierten und Weißen Bildungsbourgeoisie, die trotz aller Widrigkeiten weiterhin auf ihren intellektuellen Sonderstatus pochte“ (Hermand 2005: 25). Und so überrascht es vielleicht nicht, dass man auch in Arendts Texten, und in ihren privaten Briefen, immer wieder rassistische und sexistische Textstellen liest.

Little Rock

In meinem Arendt-Seminar habe ich mich mit meiner Gruppe intensiv mit dem Text „Reflections on Little Rock“ von Arendt beschäftigt, und um die Kontroverse, die der Text bei seiner Veröffentlichung ausgelöst hat. Der folgende Abschnitt basiert auf unserer gemeinsamen Power-Point-Präsentation, wobei ich mich auf meinen Teil des Vortrages und Recherchearbeit fokussiere.

Der Text ist 1959 in der Zeitschrift Dissent erschienen, nachdem er jahrelang in der Mottenschublade eines weiteren Magazins lag. Arendt verfasste den Text ursprünglich im Jahr 1957, anlässlich der Integration der vormals nur Weißen Schülern und Schülerinnen zugänglichen Little Rock High School in Little Rock, Arkansas. Nach Brown v. Board of Education in 1954, versuchten neun Schwarze Schüler und Schülerinnen die High School zu besuchen, und wurden von einem Mob von Weißen Menschen aufgehalten und bedroht. Der Governor von Arkansas schickte daraufhin die National Guard, um die Schüler*innen zu beschützen. Nachdem das Bundesbezirksgericht entschieden hatte, dass diese Entscheidung illegal gewesen sei, schickte der damalige Präsident Dwight D. Eisenhower Bundestruppen nach Little Rock, um die Schüler*innen zu beschützen und Brown v. Board of Education durchzusetzen. Die Truppen bleiben bis zum Ende des Schuljahres – der Mob ist hartnäckig, und die Schüler*innen werden weiterhin bedroht.

Dissent veröffentlichte Arendts Text mit folgendem Hinweis (siehe Bild):

Heute würde man umgangssprachlich wohl sagen, dass sich Dissent auf einen backlash, oder vielleicht einen shit storm vorbereiten wollte, auf jeden Fall aber auf Gegenreaktionen. Reaktionen, die prompt und heftig kamen, und zu einem Teil Arendt selbst überraschten. Doch es gehörte auch zu ihrer Persönlichkeit, standhaft und selbstbewusst hinter ihren Texten zu stehen. Ich habe einmal gelesen, dass Arendt ihre Texte nur ein einziges Mal aufschrieb – es gab keine Notizen, keine Versionen eins bis zehn, sondern immer nur eine einzige Niederschrift ihrer Gedanken zu einem Thema. Diese Gewohnheit wird auch in „Reflections on Little Rock“ deutlich – sie änderte keine Zeile an ihrem Text, der ja zur Zeit der Veröffentlichung bereits zwei Jahre alt war, sondern fügte nur einige Vor- und Nachbemerkungen hinzu, in der sie klarmacht, dass dieser bestimmte Text trotz seines Alters immer noch hilfreich darin sein könne, gefährliche Denkschablonen“ und liberale Klischees“ zu durchbrechen (Arendt 1959, 2020: 258).

Die Lektüre von „Reflections on Little Rock“ zeigt jedoch vor allem eins: Arendt hat hier über ein Thema geschrieben, das sie völlig falsch einschätzte. Arendt, die in „Origins of Totalitarianism“ über das „Rassendenken vor dem Rassismus“ schrieb, widerspricht in „Little Rock“ ausdrücklich ihren eigenen Auffassungen über Rassismus, wenn sie schreibt, dass „die Rassenfrage“ aus dem europäischen Imperialismus und Kolonialismus stammt, „dem einen großen Verbrechen, an dem Amerika niemals teilhatte“ (Arendt 1959, 2020: 260). Dieser Satz ließ mich bei der ersten Lektüre ungläubig den Kopf schütteln. Und historisch betrachtet ist diese Einschätzung natürlich unzureichend, da europäischer Kolonialismus wesentlicher Bestandteil des Erbes Weißer Siedler*innen in Amerika war; darunter fallen Bewusstseinsschemata und Verhaltensmuster aus der Zeit des europäischen „scramble for Africa“ (vgl. Benhabib 2011: 237). Sie ordnet den Rassismus gegenüber Schwarzen Menschen in den Vereinigten Staaten fälschlicher- und fatalerweise als „eine unter vielen anderen ‚rassischen Abgrenzungen‘“ ein, und verkennt damit, dass ein historisch und „rassisch begründeter Zustand der gesellschaftlichen Sklaverei“ die Beziehung zwischen Weißen und Schwarzen Menschen in Nordamerika kennzeichnet und maßgeblich geprägt hat (Benhahib 2011: 244).

Ihre weiteren Ausführungen schockieren: „… die gesetzlich erzwungene Integration [ist] um keinen Deut besser als die gesetzlich erzwungene Rassentrennung […]“ (Arendt 1959, 2020: 262). Sie führt weiterhin aus, dass es einen nicht zu verkennenden Unterschied gebe, zwischen gesetzlich erzwungener Rassentrennung (die unrechtmäßig und illegal sei, weil alle politisch Handelnden gleichberechtigt sein müssen und sollen) und gesellschaftlicher Diskriminierung, die normal und sogar notwendig für eine Gemeinschaft sei (ebd.). Arendt schreibt an dieser Stelle über die Unterscheidung der drei Sphären in einer Gesellschaft, einer Unterteilung, die sie selbst ein Jahr zuvor in „The Human Condition“ (1958) beschrieben hat:

Gesellschaftliche Diskriminierung kann ihrer Meinung nach in der privaten und der sozialen Sphäre stattfinden, nicht aber in der politischen Sphäre (vgl. Vowinckel 2006: 122 für eine Übersicht). Schulen, wie die Little Rock High School, gehören laut Arendt nicht der politischen Sphäre an, und deswegen sei auch das Eingreifen des Staatsapparates dort nicht gerechtfertigt. Es ist nicht nachvollziehbar, warum Arendt gerade Schulen nicht der öffentlich-politischen Sphäre zuspricht, da Schulen ja gerade Schauplätze für Sozialisation und Identitätsbildung sind. Benhabib fragt zurecht: „Wie können ein politisches Gemeinwesen, das die Gleichheit aller Menschen befürwortet [Anm.: und das auch Arendt immer wieder kräftig befürwortete], und Schulen, die Menschen nach ‚Rassen‘ diskriminieren, koexistieren?“ (2011: 240). Und beantwortet diese Frage folgendermaßen: Das können sie nicht; „der Staat kann dies nicht billigen.“ Arendts These erweist sich als instabil: „Wenn der Staat solche Institutionen gutheißt, billigt er auch die Legitimität diskriminierender Praktiken“ (ebd.)

Gleich zu Beginn des Textes gibt Arendt uns einen Hinweis darauf, wie sie auf gerade diese Schlussfolgerung kommt: Sie vergleicht den Rassismus gegen Schwarze Menschen in den Vereinigten Staaten mit Rassismus gegen Juden und Jüdinnen in der Welt, insbesondere Europa, und damit mit ihrer eigenen Vergangenheit. Arendt schreibt, dass sie selbst „als Jüdin es für selbstverständlich halte”, dass ihre Sympathien „der Sache der N wie allen unterdrückten und unterprivilegierten Völkern gilt“ (Arendt 1959, 2020: 259). Sie schreibt weiterhin, dass sie es nachvollziehen könnte, wenn Menschen im privaten Bereich andere Menschen ausschließen: Wenn sie selbst z.B. nur mit anderen Juden und Jüdinnen einen Badeurlaub machen wollte, ginge das eben nur, wenn Nicht-Juden und Nicht-Jüdinnen keinen Zugang zu ebenjenem Badeurlaub bekämen (vgl. Arendt 1959, 2020: 268f.). Arendt hatte in ihren Analysen bezüglich europäischen Antisemitismus und jüdischer Reaktionen darauf eine Unterscheidung zwischen zwei Exil-Typen (Figuren) aufgestellt, und diese für ihren Text über Little Rock übernommen: Der selbstbewusste Paria setzt sich dafür ein, dass die gesetzliche (unrechtmäßige) Rassentrennung aufgehoben wird, weil dies gegen die allgemeinen und unwiederbringlichen Menschenrechte verstoße – gesellschaftliche Diskriminierung außerhalb der politischen Sphäre sei aber valide (rechtmäßig), und dem Paria egal. Der soziale Parvenü dagegen möchte soziale Akzeptanz und Konformität erreichen; ihm sei es an der Abschaffung gesetzlicher und gesellschaftlicher Diskriminierung gelegen, da er gesellschaftlich aufsteigen möchte (Benhabib 2011: 238). Arendt bevorzugte die Figur des Parias ganz klar.

Ihre Analyse bezüglich ihrer eigenen Vergangenheit war erhellend, lässt sie an dieser Stelle aber im Stich: Die Figuren des Parias und Parvenüs sind schlichtweg nicht auf die grundsätzlich unterschiedliche Situation marginalisierter Afroamerikaner*innen anwendbar – Arendts Beispiel, der Ferienurlaub, klingt deshalb zynisch, unangemessen und kaltherzig im Vergleich mit der realen Situation Schwarzer Menschen in den Vereinigten Staaten. Benhabib schlussfolgert: „Der Aufsatz zu »Little Rock« zeigt nicht bloß das Scheitern der Unterscheidung zwischen dem Gesellschaftlichen und dem Politischen, sondern auch das Fehlschlagen der Kunst, eine »erweiterte Denkungsart« im öffentlichen Bereich zu praktizieren” (Benhabib 2011: 246).

Die Kunst der erweiterten Denkungsart – und ihr Scheitern

Ein eindeutiges Urteil von Seyla Benhabib, Professorin für Politische Theorie und Politische Philosophie an der Yale University (Fokus auf sozialpolitische Ideengeschichte des 19./20. Jahrhunderts, Feministische Theorie, Frankfurter Schule). Zusammen mit Kathryn Sophia Belle (Professorin für Philosophie an der Pennsylvania State University, ehemals Kathryn Gines, siehe unten) ist sie eine der wenigen Wissenschaftler*innen, die Arendts Rassismus untersuchen und auch als solchen benennen. Und eben nicht nur in diesem hier besprochene Text, „Reflections on Little Rock“, sondern auch in ihren anderen Schriften, darunter auch eines ihrer Hauptwerke „Origins of Totalitarianism“ oder in ihren Schriften über „civil disobedience“, in denen sie die Interessen und Proteste Weißer Studierende lobte, und die zur selben Zeit stattfindenden Proteste der Black Power Bewegung Schwarzer Studierender als „black violence“ kritisierte (vgl. Cubukcu 2021).

An dieser Stelle ist es genauso interessant auf die Stellen in Arendts Text zu gucken, die, wie Bernstein in seinem Buch immer wieder unter Beweis stellt, aktueller denn je scheinen. Arendt schreibt: „Es ist deshalb durchaus möglich, dass sich, wenn die N gesellschaftliche und wirtschaftliche Gleichstellung und gleiche Voraussetzungen in Erziehung und Bildung erreicht haben, das Rassenproblem sich in diesem Land verschärft, anstatt an Brisanz zu verlieren“ (Arendt 1959, 2020: 262). Die andauernden, weltweiten Proteste im Rahmen der Back Lives Matter Bewegung, und die rassistische Gewalt und Diskriminierung, die BIPOC tagtäglich erfahren, zeigen, dass Antirassismus und soziale Gleichheit zwischen Weißen Menschen und BIPOC weiterhin zu den wichtigsten Aufgaben und Verantwortungen heutiger Politik gehören. Dazu gehört speziell in Deutschland z.B. auch die Aufarbeitung von Kolonialverbrechen und Reparationszahlungen.

Die Mehrheit der Menschen, die über Arendt schreiben, erwähnen ihren Rassismus nicht. So weit, so berechenbar – dies ist keine Seltenheit bei sogenannten großen Dichter*innen und Denker*innen. Gerade die Aufbereitung und sorgfältige Analyse bringt uns jedoch weiter, eröffnet uns Handlungsspielräume. Viele von Arendts Texten sind von unschätzbarem Wert, und es lohnt sich, sie zu lesen und über sie zu grübeln. Doch sie war nicht unfehlbar, und schon gar nicht perfekt. Allein der Anspruch ist unfair. Es ist wichtig, herauszufinden, woran Arendt selbst gescheitert ist und welche bewussten oder unbewussten Vorurteile und Wissenslücken sie in ihren Schriften unhinterfragt reproduzierte – deshalb folgen hier die (unfertigen) Überlegungen, offenen Fragen und Denkanstöße, die wir in unserer Gruppe an unsere Mitstudierenden und unseren Professor gestellt haben, als Einladung zum Grübeln und Diskutieren:

  • Die sog. Kunst der erweiterten Denkungsart und das Kritisieren von sog. Denkschablonen bleiben wichtig, auch im Hinblick auf soziale Medien, sog. „social (media) bubbles” und das Phänomen der sog. „Fake News”.
  • Das Einnehmen von unterschiedlichen Perspektiven und Betrachtungsweisen ist notwendig, um Menschen zu verstehen und ihnen empathisch zu begegnen – ob im privaten, gesellschaftlichen oder politischen Bereich des Lebens. 
  • Das ist jedoch nicht einfach, wie uns Arendts Scheitern an ihrer eigenen These zeigt: es ist schwierig, nicht auch immer seine eigene Identität und Geschichte mitzudenken und noch schwieriger, diese in den Hintergrund zu stellen, um die Perspektive eines anderen wahrlich nachvollziehen zu können – dazu gehört auch das Erkennen und Hinterfragen von eigenen Privilegien und Vorurteilen.
  • Arendts strikte Unterscheidung der drei oben genannten Bereiche (Privat, Sozial, Politisch) ist eher ein utopisches politisches Gedankenexperiment, und in dieser Form schlicht nicht anwendbar auf Missstände in unserer Gesellschaft, denn:
  • Das Private, das Gesellschaftliche und das Politische lassen sich nicht trennen, sie beeinflussen und formen sich gegenseitig. 

Wie also lesen wir Texte von einer der berühmtesten politischen Theoretikerinnen und Philosophinnen? Genauso, wie jeden anderen Text; ohne Scheu, kritisch mit ihm umzugehen.

Text von Anna Lemke

Quellen

Anette Vowinckel: Hannah Arendt. Reclam 2006, 2014.

Aca Cubukcu: Of Rebels and Disobedients: Reflections on Arendt, Race, Lawbreaking. In: Law and Critique, volume 32, pages 33–50 (2021). DOI: https://doi.org/10.1007/s10978-020-09271-x

Daniel Cole: A Defense of Hannah Arendt’s “Reflections on Little Rock.” Philosophical Topics, Vol. 39, No. 2, 2011, S. 21-40.

Doris Blume, Monika Boll, Raphael Gross (Hg.): Hannah Arendt und das 20. Jahrhundert. Piper. München 2020.

Hannah Arendt. Übungen im politischen Denken II. Piper 3. Aufl. 2020. Darin: “Reflections on Little Rock”, 1959. Aus: Dissent.

Interview Hannah Arendt & Günter Gaus, 1964: Hannah Arendt “Zur Person” Full Interview (with English subtitles) – YouTube

Jost Hermand: »Finding myself in history«. Hannah Arendts Amerika-Erfahrung. In: Arnold, Heinz Ludwig (Hg.): Text + Kritik: Hannah Arendt. Heft 166/167. 2005. 

Kathryn T Gines.: Hannah Arendt and the Negro Question. Indiana University Press, 2014.

Wärmste Empfehlung: Online Talk von der Max Weber Stiftung, Thema „Hannah Arendt und Rassismus“ (PD Dr. Franziska Martinsen mit Priya Basil, Schriftstellerin und Aktivistin, Dr. Doron Rabinovici, Autor und Historiker, sowie mit Dr. Maike Weißpflug, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Museum für Naturkunde Berlin): GiD-Interview-Reihe “Hannah Arendt heute” Folge 3: Rassismus – YouTube

Podcast: Hannah Arendt – endlich verstehen (ARD, rbb Kultur) auf Spotify und überall da, wo es Podcasts gibt

Rebecca Buxton, Lisa Whiting. Philosophinnen. Von Hypatia bis Angela Davis. Herausragende Frauen der Philosophiegeschichte. Mairisch Verlag 2021.

Richard J. Bernstein: Denkerin der Stunde. Über Hannah Arendt. Suhrkamp 2020.

Seyla Benhabib: Hannah Arendt. Die melancholische Denkerin. Suhrkamp Verlag. Berlin. Erw. Auflage 2011.

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