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Druck und Stress steigen, und was tue ich dann? Genau: Ich lenke mich erstmal ab. Damit ist zwar das Problem nicht aus der Welt, aber die unangenehmen Gefühle sind für einen Moment vergessen, und das ist ja auch schon ein Gewinn, nicht wahr? Die Ablenkung hilft nur für den Moment, was unter Achtsamkeitsaspekten gar nicht schlecht ist, aber mit Blick auf die Momente, die noch kommen werden, nicht weiterhilft. Denn letztlich muss die Aufgabe doch bearbeitet, das Problem doch gelöst werden. Wie können wir also aus der Spirale aus Druck – Ablenkung – noch mehr Druck aussteigen? Bestimmt kennst Du schon ein Bündel an Ratschlägen und Tipps. Ich war kurz versucht, sie hier zu versammeln, dann dachte ich: Das liest Du auch nur, um dich von irgendwas Anderem abzulenken. Letztlich wissen wir, worum es geht, und brauchen keine Methode.

Wenn wir insgesamt in guter mentaler Verfassung sind, lautet die einfache und einzige Lösung: Widerstehe der Verführung. Dann kannst Du ein paar Tricks anwenden, um den Widerstand zu trainieren: Digital Detox, Timeboxing, Belohnung/Bestrafung… aber letztlich ist es sinnvoll, auch hier keine Ressourcen zu verschwenden. Einfach aufhören, Dich abzulenken, stattdessen Klarheit finden: Was ist (jetzt) Deine Aufgabe? Das, und nur das, tust Du während der vorgesehenen Arbeitszeit. Was fällt darüber hinaus in Deinen Aufgabenbereich? Das kommt mit auf die To-Do-Liste bzw. für die Planung und Umsetzung werden Timeboxes vorgesehen. Alles, was nicht zu Deiner Aufgabe und nicht in Deinen Aufgabenbereich fällt, tust nicht während der Arbeitszeit.

Aus meiner Erfahrung funktioniert der Widerstand gegen Ablenkungen nur klar und distinkt:

  • entscheiden, sich nicht ablenken zu lassen.
  • Entscheiden, diese Entscheidung in einem klar gesetzten Zeitrahmen durchzuhalten.
  • Diese Entscheidung in einem klar gesetzten Zeitrahmen tatsächlich durchhalten.

Der erste Schritt besteht in einem Überblick der Dinge und Ereignisse, die Dich ablenken. Eventuell stellst Du fest, dass die unabgelenkte Zeit, mit der Du starten kannst, erstaunlich kurz ist, und die Unruhe, die Dich befällt, weil Du auf eine Nachricht wartest oder Dich zerstreuen willst, Dich so quält, dass Du Dich nicht konzentrieren kannst. Dann gilt es, zu üben und das Zeitfenster Schritt für Schritt, jedoch zielstrebig, zu vergrößern. Setze Dir realistische Ziele. Zehn Minuten konzentrierte Arbeit klingt nach gar nicht viel, schaffen aber im Zweifel genauso viel oder mehr wie eine Stunde Arbeit mit vielen Ablenkungen. Für das Zeitfenster selbst gilt: keine Ausnahmen, kein Zögern, keine Kompromisse, kein Lamento. Arbeiten. Durchhalten. Die Arbeit dieser Zeit als ersten Schritt würdigen.

Der zweite Schritt besteht in Verbindlichkeit. Er umfasst, dass Du nicht anfängst, mit Dir selbst zu diskutieren. Insbesondere in einer Zeit, in der Gesprächspartner*innen fehlen, neigen manche Menschen dazu, mit sich selbst zu kommunizieren. In diesen (inneren) Gesprächen sind in vielerlei Hinsicht oft hilfreich; bei der Frage nach Ablenkungen und Durchhaltekraft aber stellen wir uns rasch selbst in Frage, kritisieren Entscheidungen und finden plausible Gründe für das Abweichen von Plänen. Darum ist es keine Bagatelle, sich zu entscheiden, bei einer Entscheidung zu bleiben. Ich persönlich habe die Erfahrung gemacht, dass es erheblich am Selbstvertrauen kratzt, wenn ich mir selbst eben nicht vertrauen kann, weil ich Zusagen mir selbst gegenüber nicht halte. Das war ein wirkliches Problem: Denn wem soll ich vertrauen, wenn nicht einmal mir selbst? Also habe ich mich mit kleinen Schritten herausgearbeitet: Ich habe mich gefragt, welche drei kleinen Veränderungen umsetzbar sind und sofort Ergebnisse zeigen. Es waren: Altpapier zur Tonne tragen (damit der Korb nicht überquillt), Teammitglieder in gemeinsamen Projekten nicht im Unklaren über den nächsten Schritt lassen und jeden Tag eine kleine Sportübung, 3 mal 5 Burpees etwa. Das schaffe ich. Ich kann mir vertrauen. Aber ich muss mich jeden Tag aufs Neue entscheiden und kontrollieren, zu meinem Versprechen mir selbst gegenüber zu stehen. Wenn Dein Thema die Entscheidung ist, sich nicht ablenken zu lassen, dann entscheide Dich im zweiten Schritt, zu Dir zu stehen und Dich nicht zu enttäuschen. Bereite ein Tracking vor, in dem Du Deine Entschluss- und Willenskraft visualisierst; eine einfach Kästchenfolge genügt. Wenn Du zwei Tage durchgehalten hast, geht es in den Tagen danach nur noch darum, die Kette nicht zu unterbrechen.

Tag 1
10 Minuten gearbeitet ohne Ablenkung
Tag 2
10 Minuten gearbeitet ohne Ablenkung
Tag 3
10 Minuten gearbeitet ohne Ablenkung
Tag 4
10 Minuten gearbeitet ohne Ablenkung
Tag 5
10 Minuten gearbeitet ohne Ablenkung
Tag 6
10 Minuten gearbeitet ohne Ablenkung
X     

Meiner Erfahrung nach funktioniert dies besonders dann richtig gut, wenn es läuft. Eine Schwierigkeit kann darin liegen, dass nicht nur die Motivation, sondern auch das Selbstwertgefühl erheblich leidet, wenn die Kette eben doch unterbrochen wird, das Vorhaben nicht oder nicht ganz umgesetzt wurden. Hier hilft ein Haltungswechsel – wir sind auf dem Weg, noch nicht am Ziel. Wir können mitfühlend mit uns sein, Verständnis aufbringen, uns nicht entmutigen lassen, wenn etwas uns abhält oder aufhält. Dann ist es oft hilfreich, nicht allein auf dem Weg zu sein, und jemanden im Team zu haben, der/die aufmuntert und sagt: Heute ist es so und in Ordnung, morgen wird es wieder anders. Ich erinnere Dich daran.

Mehr zu Motivation? Wir haben ein Workbook mit Tipps und Übungen erstellt, das die Methoden und Denkweisen der Geisteswissenschaften berücksichtigt: Du findest es hier.

Der dritte Schritt wird hier schon abgebildet: Durchhalten. Durchhalten ist nicht zuerst eine Frage der Motivation, sondern der Willenskraft. Wir haben als Menschen oft eine „Grundportion“ Kraft, auch Willenskraft, und wenn diese „Grundportion“ für die Aufgabe genügt, ist ja alles gut. Wenn sie nicht genügt, müssen wir sie trainieren. Voraussetzung ist eine realistische Erwartung an Dich selbst; bereits bei der Festlegung des Zeitfensters brauchst Du eventuell einige Anläufe, bist Du weißt, wieviel Du wann schaffst. Entscheidungen umzusetzen und kontinuierlich daran zu arbeiten, braucht Kraft und Mut – nichts Übermenschliches, aber eben doch ein paar Ressourcen mehr, als Du im „alten Modus“ für das Durchhalten zur Verfügung stellst: Ruhe, Energie, Nahrung… Plane diese Ressourcen ein, stelle sie Dir zur Verfügung.

Vielleicht lebst Du in Beziehungen, die viel Verständnis für das Nichteinhalten von Verabredungen oder Unverbindlichkeit haben. Falls das so ist und Du niemanden hast, der Dich in aller pragmatischen Härte an Deine Entscheidung erinnern kann oder will, schaffe für Dich selbst diese innere Rolle. Setze mir Dir einen Vertrag auf, den Du an die Wand hängst:

Ich, [Dein Name], verspreche mir, zu meiner Entscheidung zu stehen, in den nächsten fünf Tagen jeden Tag mindestens […] Minuten ohne Ablenkung an meinem Projekt zu arbeiten. In den darauf folgenden fünf Tagen steigere ich die Minutenzahl um …

(Optional: Eine Bekräftigung Deiner Wahl, etwa: „Versprochen ist versprochen und wird nicht gebrochen.“ Oder „Gesagt, getan!“ Oder: „So wahr mir Gott helfe.“)

Das Prinzip ist also ganz einfach: Entscheiden, Verpflichten, Durchhalten. Was nicht einfach ist, ist die Umsetzung. Wie hältst Du durch, wenn es Dir nicht so einfach fällt wie anderen? Wie also Willenskraft und Umsetzungsvermögen stärken? Hier erste Impulse:

  • Nutze Ausdauersportarten, damit Du Dich selbst als ausdauernd erlebst und dies auf andere Lebenszusammenhänge überträgst. Eine Masterarbeit ist ein guter Halbmarathon.
  • Nutze Überwindungen im Alltag, damit Du Dich selbst als mutig erlebst. Kalte Dusche (für den Anfang Arme und Beine). Eisbaden. Widersprechen. Rückwärtsgehen. Ausgehkleidung für den Gang zum Bäcker am Dienstag. Roter Lippenstift. Welche Ideen hast Du?
  • Analysiere, welche schlechten Angewohnheiten Dich vom Durchhalten abhalten. Analysiere, welche guten Angewohnheiten Dich in anderen Zusammenhängen darin unterstützen, durchzuhalten. Stelle einen Plan auf, die schlechten Gewohnheiten durch gute Gewohnheiten nach und nach zu ersetzen. Beginne mit den schlechten Gewohnheiten, die den deutlichsten positiven Unterschied machen.
  • Belohnungen, na klar!
  • Vor den festgelegten Minuten Vorbereitungszeit nutzen – mit motivierender Musik, Bewegung, Aussprechen des nun folgenden Plans.
  • Eat the frog – Erledige die unangenehmste Aufgabe des Tages/des Projekts zuerst, um den Kopf frei zu haben.
  • Suche Mentor*innen und Unterstützer*innen, verbinde Dich mit Gleichgesinnten. Erwarte aber nicht, dass sie Dich ziehen. Ziehe und schiebe selbst, sorge mit dafür, dass Ihr in eine Aufwärtsspirale aus Motivation, Willenskraft und Erfolgserlebnissen kommt.
  • Timeboxing: Lege Zeiten zur Aufgabenerledigung fest. Wähle die Zeiten bewusst knapp, aber so realistisch, wie es mit Deiner Erfahrung möglich ist. Arbeit hat die unangenehme Eigenschaft, sich auszudehnen, wenn man ihr nicht zeitlich Einhalt gebietet. Halte Dich darum an Deine Zeitfenster, und passe sie ggf. für die folgenden Tage an.

Viel Erfolg!

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