– Umdenken lernen, um neue Wege und Ansätze zu finden

Von Julia Koop

Ein Weiterführen der Gedanken von Mareike Mennes Beitrag Kultur-Zukunft suchend.

Im Laufe des noch anhaltenden Prozesses meiner nebenberuflichen Start-up[1] Gründung (trotz oder gerade wegen der Corona Pandemie) bin ich immer wieder bei Gesprächen in die Rolle der Kultur-Vermittlerin, Aufklärerin, Revolutionärin und Pionierin getreten. Kultur ganzheitlich zu denken, neue Wege zu beschreiten und Neues einzuleiten, waren mir dabei wichtige Punkte. Etwas zu realisieren, was es so in dieser Form vor der Pandemie noch nicht in der Szene gegeben hat. Denn es ist nun an der Zeit Neues zu wagen, neue Formen zu gestalten und Neues zu erfinden.

Etwas, was anscheinend doch noch oft Erklärungsbedarf hat und hatte, weil es das im Jahr 2021 so, zumindest in meinem Umfeld, noch nicht gab. Zugleich aber auch konkret zu begründen, warum es für die Gesellschaft, für eine bessere Zukunft und für das eigene, wirtschaftliche Überleben wirklich relevant ist, war zu Beginn nicht immer einfach. Ein Lernprozess und eine neue ‚Erbringschuld‘ auch für mich. Denn mein Gegenüber möchte klar erkennen, wie ich mich selbst identifiziere, meine ‚Brötchen‘ backe und wie Geld gesichert eingenommen wird. Letzteres ist ein Aspekt, der in der Kulturbranche, im Kultur-Studium und in der Schule noch immer viel zu wenig beleuchtet und mitbedacht wird, wie ich finde.[2] Wie finanziere ich etwas gut, um dann gute, neue Kultur ermöglichen zu können, trotz und mit den Möglichkeiten der Corona-Situation? Eine doppelte Herausforderung also, die sich da nicht nur mir stellt, sondern auch übertragbar auf die gesamte Kulturwirtschaft ist. Gerade, wenn Corona Hilfen fehlen oder Förderungen weggefallen sind.

Neue Projekte fördern und wagen, sollte die Devise sein. Die Pandemie für sich nutzen und den Blick auf innovative Themen richten. Dazu innovative Formate, Techniken und mit digitalen Möglichkeiten ausschöpfen, sofern das irgendwie zu realisieren ist. Aus der Not die Tugend machen. Genau dafür steht Kultur auch. Dass sie Wege für sich findet, Wege, die machbar sind. Wege, die Menschen verbinden soll und Menschen wieder an einen Tisch bringen. Egal wie unterschiedlich sie sind.

Vertrautes (die Kultur) in neue Perspektiven (Licht) zu rücken, um dadurch ein Umdenken und ein neues Selbstverständnis der Kultur zu bekommen. Eine eigene, neue Kulturidentität und Selbstverständnis schaffen, um innovative Wege trotz Pandemie aufleuchten und erscheinen zu lassen. Das ist mein Ziel.

Dass dieses Ziel nicht so einfach für alle Kulturschaffenden und in der Kulturwirtschaft tätigen zu übertragen ist, weil viele Regelungen, Beschränkungen und Einschränkungen (räumlich, finanziell, personell, rechtlich, technisch usw.) vorhanden sein können, kann ich dabei aus eigener Erfahrung nur zu gut nachvollziehen. Insbesondere das bestehende Ansammlungsverbot während dieser Krise[3] macht es sehr kompliziert für die Kultur. Dennoch ist es meiner Meinung nach wichtig, gerade aus der Vergangenheit sowie bestehenden Gegenwart zu lernen und eine neue Relevanz der Kultur sowie eine allen verständlich vermittelte Sinnhaftigkeit der Kultur zu schaffen. Wie nun also dieses Dilemma lösen?

„Aber jetzt, da es fehlt, fehlt… tja, was genau?“

Auf die Frage von Mareike Menne möchte ich eine Antwort wagen:

Meiner Ansicht nach bedeutet Kultur mittlerweile noch viel mehr als das bisher Bekannte und Genannte. Sie ist Bindeglied, Bildung, eine Warnung in verstrickten, politischen und gesellschaftlichen Phasen wie in Krisenzeiten[4] es der Fall ist. Sie ist essenziell für die Work-Life-Balance aller Menschen und Zuflucht für die Seele.[5] Somit wichtig für die psychische Gesundheit der Menschen. Zugleich stellt sie an uns alle geistige Herausforderungen an, die uns Menschen zum Nachdenken, Reflektieren, Einfühlen und Handeln bewegen möchte. Durch ihr formt sich unsere Weltanschauung, unsere Vorstellungen von Zukunft und kreiert kreative Gedankenexperimente, welche mit allen Sinnen erfahrbar gemacht werden können. Sie regt uns zum eigenständigen Denken und Hinterfragen an, aber auf simpler, unterhaltender Weise. Dadurch hat sie eine große Offenheit und schafft Verbundenheit in der gesellschaftlichen Vielfalt. Ihr Vermögen ist es deshalb, Gemeinsamkeiten und Gemeinschaft in der Anonymität und dem Egoismus der Distanz sowie der Corona Einsamkeit zu schaffen. Das Sehen lernen, was uns verbindet und nicht das, was uns voneinander trennt, was durch die Social Distancing Situation noch relevanter geworden ist. Empathie und Mitgefühl stärken, was oft hintenüberfällt.

Daraus entstehen weitere Ideen und kreative Impulse, die zusätzliche Anregungen für Arbeitswelten, Wirtschaftsproduktionen und Zukunftskreationen ermöglichen. Die Kultur interpretiere ich als Motor einer Gesellschaft, die ohne diese weniger hinterfragt, was aktuelle Geschehnisse bewegt. Durch die Leidenschaft, Hingabe und das Lebenselixier zeichnet sich herausragende Arbeit dieser Branche aus. Sie setzt sich für Themen ein, die im Mainstream oft übersehen werden. Schärft den Blick und gibt sinnlich Werteverständnisse weiter. Die Frage ist nur, was ist das unserer Gesellschaft nach marktwirtschaftlichen Aspekten, abgesehen von materiellen nun in Bezug auf mentale ‚Produktionen‘, wert?

Davon abgesehen ist die Kulturproduktion (um die industriellere Sprache zu verwenden, in der die Marktwirtschaft denkt und finanzielle Werte ermittelt), welche Aufführungen, Filme, Ausstellungen, Kunst etc. impliziert, ebenso Arbeit und genauso in wirtschaftliche Prozesse eingebunden wie andere Branchen. Nicht nur zum Vergnügen oder als Unterhaltung anderer, sondern auch, um der Wirtschaft neue Ideen, Wissen, Anregungen und Impulse für deren jeweiligen Innovationsprozesse liefern zu können. Sodass daraus sich die Arbeitswelt verbessern und verändern kann. Der allgemeine Wirtschaftsnutzen ist also vorhanden, so scheint er aber in Pandemiezeiten und selbst noch im 21. Jahrhundert vergessen und verdrängt worden zu sein.

Die Frage, die sich auftürmt, ist: Warum? Und wie ändern wir diese Wahrnehmung? Das ist meiner Meinung nach nun, mit der Pandemie-Herausforderung, momentan die wichtige Aufgabe der Kulturszene, dass sie dies für sich klärt und aufarbeitet. Um die Kulturbranche zukünftig mit neuen Strategien besser und resilienter aus der Corona Krise herauskommt, sich dann entsprechend aufstellen und positionieren kann. Gemeint sind dabei Bereiche wie z.B. Digitalisierung oder auch Digital Humanities, Nachhaltigkeit, Energiebalance, empowernde Finanzierung, ressourcenschonender Arbeiten, Gender Pay Gap etc. pp. Wie ich finde, zeigt die Krise uns Kulturschaffenden sehr deutlich auf, welche Aufgaben, abgesehen vom Alltagsgeschäft, noch vor uns liegen.

Findet Ihr nicht?!


[1] Der Markteintritt steht noch aus.

[2] Dieser Bereich ist somit noch weiter ausbaufähig.

[3] Welche unter Corona Schutzmaßnahmen bestehende Regel absolut verständlich ist, aber dennoch viele Möglichkeiten, aus Sicht der Kultur, auch draußen einschränkt.

[4] So sollte sie auch in der jetzigen Krise sein. Allerdings mit Bedacht und nicht aus einer Emotion heraus, wie wir das letzte Woche gesehen haben.

[5] Die Kultur kann auch als Produktion von Seelengut, von Menschheitsgeschichte(n), von Kritik, von Kulturgegenständen, von neuen Kreationen, von Atmosphäre(n), von Gefühlen, von Energie, von Energiereservoirs und -ressourcen, von Kraft für andere, schwere geistige und körperliche Tätigkeiten, Produktion von Lebensfreude und Glück, Produktion von Wissen, Politik, Innovationen in der Industrie, Oase der Kreativität, Produktion eines Treibstoffes namens Demokratie, Zusammenarbeit sein. Kultur kann Vorurteile abbauen, Erfüllung und Inspirationsquelle für Ideen sein. Leider sind diese Produktionen überwiegend immateriell, sodass ihr materieller Wert sich erst im zweiten Schritt ersichtlich werden. Doch ist das für uns Menschen nicht auch ein Wert, der entsprechend honoriert, anerkannt und geschätzt werden sollte? Und dann im Umkehrschluss eine gewisse Stellung und Achtung in der Gesellschaft haben?

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