Mit der Kultur- und Kreativwirtschaft bin ich noch lange nicht durch – die Abarbeitung darbte etwas, vielleicht, weil ich mich insgeheim vor dem fürchtete, was geschehen würde, wenn ich nach Tätigkeiten von GeisteswissenschaftlerInnen “beim Film” suchte. Ich hatte Recht und versank in einem Meer von Informationen. Allerdings erwies sich dieses im ersten klaren Blick nach der Ohnmacht vornehmlich als Forschungsmeer – für Beispiele aus der Praxis muss man etwas weiter schwimmen. Falls ich ein neues Buch schreibe, verspreche ich, diesem Bereich ein Kapitel zu widmen. Für den Blog ist es zu groß, daher erwarten Sie hier bitte lediglich einen Einstieg und einen kleinen Vogelflug.
Sie können sich als WissenschaftlerIn an der Universität oder außerhalb mit Filmen als Ihrem Schwerpunkt beschäftigen. Suchen Sie nach Studiengängen wie Medienwissenschaft, Film- und Fernsehwissenschaft, aber ebenso nach Fachvertretern der Geschichte mit Schwerpunkt Filmgeschichte oder einem Schwerpunkt auf Didaktik und Film. Auch in der Germanistik weitet sich die Auseinandersetzung mit Filmen als Genre aus. WissenschaftlerInnen forschen, lehren, beraten Bildungsträger, Museen und evtl. Filmproduktionen. Ein außerakademisches Beispiel ist http://www.filmhistoriker.de/.
Sie können als Filmverleger tätig werden. Ich fand z. B. den WK&F Filmverlag, der sich u.a. als historischer Filmservice versteht und Filme zu historischen Themen produziert. Freilich hat die Nostalgie hier einen höheren Wert als die Wissenschaft, aber die Frage nach den eigenen Werthierachien, mithin nach “U” und “E”, ist im Kultursektor ohnehin ein steter Begleiter.
Der Historiker Ansgar Sarrazin gründete eine Medienproduktionsfirma: Rückblende. Zu seinem Repertoire zählen Werbung, Kunst und Kultur, Reise und Touristik und Dokumentation, konkret z. B. Imagefilme für Unternehmen, Ausstellungsfilme, Videobiografien und -firmenchroniken sowie Zeitzeugeninterviews. Christian Gust ist Soziologe und bietet “Interaktion, Beratung, Konzeption und Realisierung” von pädagogischen und didaktischen Medien.
Gabriele Guggemos studierte neben Germanistik und Philosophie die in Richtung Bühne und Film weisenden Disziplinen Theaterwissenschaft und Schauspiel (merke: solche Kombinationen sind möglich und bei einem Berufswunsch im Filmbereich sinnvoll. Sie können dies auch auf die technische Seite des Filmwesens übertragen). Sie bietet u.a. Workshops in Kinos und Schulen an, organisiert Tagungen und Fortbildungen, leistet Netzwerk- und Lobbyarbeit.
Welche Workshops könnte man denn anbieten? Ein schneller Überblick erbrachte eine hohe Zahl von Angeboten zur Reflexion und Methodisierung zum Filmeinsatz im (Schul)Unterricht: Filmanalysen im Unterricht, Film und Ethik, Literatur- oder historische Filme bewerten…
Mit deutlichem Abstand folgten filmisches Handwerkszeug: Arbeit mit Licht, mit Montagetechniken, filmisches Erzählen, und gesellschaftliche Themen: Kinokultur, Filmgeschichte etc.
Natürlich gibt es auch im Filmbereich Verbände, die Praktika und Stellen anbieten, etwa der Verband Deutscher Filmproduzenten (für ein Praktikum wird dort kein bestimmtes Studienfach erwartet, aber Erfahrung im Bereich Film oder Pressearbeit goutiert). Über weitere Institutionen und Verbände in der Filmwirtschaft können Sie sich im online-Portal für Filmbildung, kinofenster, informieren und die dort aufgeführten Links durchklicken.
Da stellt sich doch die berühmte Frage, wie man bitte die Erfahrung sammeln soll, die es erlaubt, Erfahrung zu sammeln? Zum Beispiel so: A.W. studiert Geschichte und Germanistik und führt das Buch-, Film-, Filmmusik-Blog hemator.
Auch in “klassischen” Berufen können Sie sich dem Film widmen. Das Bundesarchiv unterhält u.a. auch eine Abteilung Filmarchiv (in Berlin). Deren “Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter […] [sammeln Filme und Dokumente zur Filmgeschichte,] informieren, beraten und unterstützen die Recherchen von Filmproduzenten, Wissenschaftlern, Journalisten und interessierten Bürgern.” (Zitat auf der website des FA) Der Werdegang entspricht der üblichen Ausbildung von Archivaren, also entweder Universitätsstudium, Promotion und Archivschule oder Fachhochschulstudium. Ähnlich “klassisch” ist die Tätigkeit in Filmmuseen, z. B. im Deutschen Filminstitut/ Deutschen Filmmuseum (Frankfurt/ Main – dort werden regelmäßig Praktikumsplätze vergeben), Filmmuseum Düsseldorf, Filmmuseum Potsdam, Filmmuseum München, der Deutschen Kinematek in Berlin oder dem Filmmuseum Wien. Auch das Deutsche Historische Museum in Berlin unterhält ein Filmarchiv. Als Unternehmensmuseum gibt es z. B. die Einrichtung der Agfa Filmfabrik Wolfen.
Stellen Sie sich nun bitte eine vorgehaltene Hand vor, hinter der es wispert: Es gibt auch im Pornobereich Absolventen geisteswissenschaftlicher Studiengänge. Vor der Kamera, ja sicher, davon erzählen die Bestsellerlisten der letzten Jahre. Es wird Ihnen bekannt sein, dass Porno durchaus Konvergenzen zu Gewalt und Gewaltverherrlichung, Zwang und Prostitution aufweist. Petra Joy, die in Köln Filmgeschichte, Politik und Anglistik studierte, geht darauf in ihrem “Manifest” ein. Dort finden Sie auch ein Statement zu “Feminismus und Porno”. Sie dreht und vertreibt erotische Filme mit einem Fokus auf weiblicher Lust. Sollten Sie also denken, es handle sich um einen sozialen Abrutsch: Ich habe im Studium manche (meist verklemmte) Seminarsitzung zum Porno erlebt und auch nach dem Examen manche (sterile und verkopfte) Debatte zu gender und der Kampagne no porn der Emma. Ich verstehe Petra Joys Arbeit als Transferbeitrag zu diesen Debatten. Sie hält uns zudem vor Augen, dass wir ohne reflektierte Praktiker keine Gegenstände zu studieren hätten. Und weiterhin, dass unsere Vorstellung von Berufen, die Gegenstände und Methoden unserer Disziplinen in kulturelle Praxis überführen, einer Erweiterung bedarf. Und letztens wäre es Unsinn, zu verhehlen, dass ich über und mit Unterhaltung schreibe.

Johann Etmanski: Der Film als historische Quelle. Forschungsüberblick und Interpretationsansätze, in: Topitsch, Klaus und Brekerbohn, Anke (2004): “Der Schuß aus dem Bild”. Für Frank Kämpfer zum 65. Geburtstag. Virtuelle Fachbibliothek Osteuropa, Reihe Geschichte, Bd. 11, http://epub.ub.uni-muenchen.de/558/6/etmanski-film.pdf

Grundkurs Film. Materialien für die Sek. I und II, 3 Bde.

Kinofenster.de – Portal für Filmbildung

Siegfried Kracauer u.a.: Theorie des Films: Die Errettung der äußeren Wirklichkeit, Frankfurt/ Main 1985

James Monaco: Film verstehen. Kunst, Technik, Sprache, Geschichte und Theorie des Films und der Medien, 2. Auflage Reinbek 2009

Warum Film in der Literaturwissenschaft? Infoseite des Fachbereichs Filmwissenschaft der Literaturwissenschaft an der Uni Duisburg-Essen

Britta Wehen: Historische Spielfilme – ein Instrument zur Geschichtsvermittlung?, in: http://www.bpb.de/gesellschaft/kultur/kulturelle-bildung/143799/historische-spielfilme?p=all [erstellt 11.9.2012]

Wikipedia-Eintrag zur Filmgeschichte

Menü