Wie hältst du’s mit der Religion?
Die Frage müsst Ihr Euch durchaus dann stellen lassen, wenn Ihr Euch vorstellen könnt, bei einer der Kirchen oder einem der kirchlichen Unternehmen zu arbeiten. Nicht immer ist die Voraussetzung, dass Ihr von gleicher Konfession seid wie die potentielle Arbeitgeberin, aber natürlich wird eine gewisse weltanschauliche Übereinstimmung vorausgesetzt.
Die katholische und die evangelischen Kirchen und ihre Gemeinden, Unternehmen, Verbände, Einrichtungen etc. gelten in Deutschland als zweitgrößter Arbeitgeber mit ca. 1,3 Millionen hauptamtlichen Beschäftigten. Entsprechend vielfältig ist das Berufsangebot. Wenn Sie z.B. zum überregionalen Stellenmarkt Kirche und Caritas der Darlehenskasse Münster surfen, dann müssen Sie zunächst wählen, für welchen Bereich Sie sich interessieren:
Ambulante Dienste, Behinderteneinrichtungen, Beratungsdienste, Bildungseinrichtungen, Schulen, Universitäten, Caritasverband, Dienstleistungen aus Technik und Handwerk, Entwicklungsdienste, Entwicklungshilfe, Fundraising, PR, Hospizbereich, Hotel/Restaurant/Catering, Kinder- und Jugendhilfe, Kitas, Kirchengemeinde, Krankenhaus, Kreditinstitute/Banken, Ordensgemeinschaft, Rettungsdienste, Verbände, Verwaltung, Wirtschaftsprüfung.
Gefettet sind die Bereiche, die affin zu geisteswissenschaftlichen Fächern sind. Wobei wir hier ein großes Fass zum Verhältnis von Theologie und Philosophie aufmachen könnten.
Hinzu kommen bzw. teils darin eingeschlossen sind Berufe und Ämter wie PfarrerIn, (Welt- und Ordens-)Priester, ganzheitliche Lebensentwürfe wie Ordensbruder und Ordensschwester, Angestellte im Kulturbereich, etwa in kirchlichen Museen, Bibliotheken, Verlagen, Medien oder in der Denkmalpflege. Hier sehen Sie unmittelbaren Bezug zu ganz typischen Berufen von und für GeisteswissenschaftlerInnen. Ein paar Zahlen: 358 ProfessorInnen für katholische Theologie sind an kirchlichen und staatlichen Hochschulen tätig (hinzu kommen die LehrstuhlmitarbeiterInnen), knapp 2000 hauptamtliche Mitarbeiter hat die katholische Erwachsenenbildung, 43 kirchliche Museen werden unterhalten. Wie viele der 3300 katholischen Bibliotheken hauptamtliche Mitarbeiter haben, konnte ich nicht herausfinden. Weitere Affinitäten liegen z.B. in der Stiftungsarbeit (etwa beim Cusanus-Werk oder das evangelische Studierendenwerk), in der Tätigkeit für Hilfswerke auch der Entwicklungshilfe und in Medieneinrichtungen (Katholische bzw. evangelische Nachrichtenagentur). Jeweils größte Arbeitgeber innerhalb des kirchlichen Arbeitsmarkts sind Pflege-, Gesundheits- und Erziehungseinrichtungen, im Wesentlichen Einrichtungen von Caritas und Diakonie, für die unsere Absolventen wiederum vorwiegend in Verwaltung, Bildung und PR/Fundraising tätig sind.
Also: Die Kirchen stellen nicht nur TheologInnen ein. Sie bieten ein breites Spektrum. Sie haben als Arbeitgeber ihre Besonderheiten – Ihr kennt vermutlich das Thema der wiederverheirateten Geschiedenen oder anderes/mehr – die möglicherweise mit Eurem Lebensentwurf nicht vereinbar sind. Auf vielen kirchlichen Seiten, die ich für diesen Beitrag besuchte, fand ich allerdings einen reflexiven Umgang mit der eigenen Rolle als ArbeitgeberIn und auch Positionierungen zu Ökumene, Frauenförderung, Integration von Migranten und Unterstützung von Geflüchteten sowie Transparenzangebote.
Falls Ihr Euch wundert, warum wieder nur die Christen, was ist mit den Juden, den Moslems, den Schamanen, den Buddhisten? Für sie ist es wesentlich schwieriger und aufwändiger, über zentrale Dachverbände Informationen über ihre spezifischen Arbeitsmärkte zu bekommen. Die jeweiligen jüdischen Gemeinschaften haben aber in Einzelfällen Stellenangebote auf ihren Homepages, z.B. hier.
Die Schweizer Seite  http://www.muslimjobs.ch/ hingegen sammelt nicht in erster Linie Stellen bei muslimischen Einrichtungen und Gemeinschaften, sondern versteht sich als Jobportal gegen die Diskriminierung von Musliminnen und Muslimen auf dem regulären Arbeitsmarkt.
Stellenbörsen für Tätigkeiten bei den christlichen Kirchen und ihren Unternehmen:
https://www.ekd.de/kirchenjobs/index.php
https://www.dkm.de/service0/stellenmarkt_fuer.html
https://www.caritas.de/fuerprofis/arbeitenbeidercaritas/jobboerse/
http://www.kathweb.de/jobs/
https://karriere.diakonie.de/
 
Weiterlesen:
Michael Heymel: »Da verdient man ja nichts!«: Berufsbiographien von Pfarrerinnen und Pfarrern, Leipzig 2017
Fritz Peyer-Müller (Hg.): Der beste Job der Welt: Theologen, Pfarrer und Pastoren über ihre Berufung, Schwarzenfeld 2015
Martin Dabrowski (Hg.): Kirche – ein attraktiver und qualifizierender Arbeitgeber?: Personalgewinnung und -entwicklung im kirchlichen Dienst, 2009
René Possél (Hg.): Berufe für Theologen, Darmstadt 2012
Patrick Becker/ Georg Pelzer (Hg.): Berufschancen für Theologinnen und Theologen, Freiburg 2012
Referenzen
https://www.ekd.de/statistik/hauptamt_ehrenamt.html
http://www.dbk.de/fileadmin/redaktion/Zahlen%20und%20Fakten/Kirchliche%20Statistik/Allgemein_-_Zahlen_und_Fakten/AH287_Zahlen-und-Fakten-2015-16_internet.pdf
https://www.caritas.de/fuerprofis/arbeitenbeidercaritas/arbeitgebercaritas/caritasalsarbeitgeber.aspx

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