Von Isabel Steinbach
Heftromane habe ich jugendliche Leserin höchstens mal durchgeblättert aber noch nie bewusst gelesen. Für mich waren sie eher was für Oma, die sich einen gemütlichen Nachmittag mit dem „Bergdoktor“ oder „Graf Leopold“ macht. Tatsächlich lag die Blütezeit des deutschen Heftromans noch vor Oma, zwischen 1905 und 1914, doch noch heute wird  massenhaft produziert. „Groschenromane“, „Kitschhefte“, „Schundliteratur“- Heftromane haben viele Namen und nicht alle sind schmeichelhaft gemeint. Jeder kennt die dünnen Heftchen, die beim Arzt im Wartezimmer liegen oder am Bahnhof am Kiosk stehen, doch die Wenigstens outen sich als Heftromanleser. Doch irgendwo müssen sie stecken, wenn die zwei größten deutschen Verlage im Monat bis zu 160 Heftchen veröffentlichen und immer noch am Markt sind. Und irgendwer muss die Geschichten auch schreiben. Kommen wir Geisteswissenschaftlerinnen da ins Spiel?
Was wäre unser Produkt?
Ein Heftroman umfasst normalerweise 64 Seiten und wird auf sehr dünnem Papier im Format DIN C5 gedruckt. Der Preis betrug damals einen (oder mehr) Groschen, daher der Name „Groschenroman“. Auch heute liegt der Preis niedrig, unter 5 Euro. Die Geschichten erscheinen im Rhythmus von einer oder zwei Wochen im Zeitschriften- (und nicht im Buch-handel).
Entgegen des allgemeinen Glaubens gibt es nicht nur Liebesgeschichten rund um Schloss und Arzt. Nein, die Welt der Heftromane geht weit darüber hinaus und umfasst eigentlich alle Genres: von Fantasy und Science-Fiction über Krimiserien und Horror, bis hin zu Wildweststorys ist alles vertreten.
Die Verlage haben außerdem in den letzten Jahren eine ganz neue Sparte für sich entdeckt: die Erotik. Durch das digitale Zeitalter und die Entwicklung zum eBook können Leser anonym erotische Geschichten runterladen; mittlerweile ist zwar dank „Shades of Grey“ die erotische Literatur fast schon salonfähig; aber stellt euch mal bitte selbst vor, im Bahnhofskiosk vom Prof dabei beobachtet zu werden, ein Erotikheftchen einzukaufen …, nicht sehr statusfördernd. Als eBooks erleben die Heftromane eine Renaissance, weil auf diesem Weg auch eine jüngere Zielgruppe angesprochen werden kann. Dank der kleinen Preise liegen die Heftromane genau in der Preissparte, welche die Leser bereit sind für ein eBook zu zahlen. Außerdem ist durch die Vereinheitlichung der eBook-Formate gar nicht mehr erkennbar, dass es sich überhaupt um einen Groschenroman handelt.
Heftromane gehören zur Trivialliteratur und sind vielleicht gerade deshalb bei Akademikern verpönt. Die gute Nachricht: Ihr müsst euch ja nicht als Leser nähern. Ihr könntet sie schreiben, denn jüngere Autoren werden gesucht.
Was müsst Ihr dafür können?
Die Geschichten im Groschenroman sind stark normiert. Sie folgen einem genauen Schema, das der Verlag vorgibt und der Autor einhalten muss. Dazu gehört die genaue Seitenvorgabe, die Vorgabe von stereotypen Figuren, Plot und Titel. Der Mann im Liebesroman soll stark und dominant sein, die Frau zierlich und mütterlich. Die Geschichte spielt in einer heilen Welt und wird durch einen Konkurrenten oder ein Problem gestört. Es gibt sogar Themen, die im Heftroman gar nichts zu suchen haben, dazu gehören beispielsweise Rassismus und Religion. Die wichtigste Regel im Heftroman ist: Es muss immer ein Happy End geben.
Berufsfeld für Geisteswissenschaftler?
Trotz des „Baukastenprinzip“ eines Heftromans braucht es trotzdem eine gewisse Ausbildung. Perfekt dafür geeignet sind die Geisteswissenschaftler mit ihren Kenntnissen des literarischen Kanons und den professionellen (genau: nicht intuitiven!) Arbeitstechniken, um einen Text zu schreiben. Hinzu kann spezifisches Fachwissen kommen: historische Details für historische Romane, Technikaffinität für SciFi, juristisches Grundwissen für Krimis etc.  Für Medienwissenschaftler könnte besonders die Verfilmung der Geschichten in Filme und Serien interessant sein.
Ein zu großes Ego ist bei Heftromanen eher nicht gefragt. In der Regel erscheinen sie unter einem Pseudonym und mehrere Autoren schreiben an einer Reihe. Das Gehalt liegt bei 600 bis 1000 Euro pro Roman bei Anfängern; erfahrene Autorinnen verdienen mehr. Das ist doppelt schön, denn Erfahrung trägt auch dazu bei, dass ein Heftroman in zwei Wochen fertig geschrieben sein kann. Damit wird man zwar nicht reich, kann aber im Gegensatz zu manch „normalen“ Romanschreiber von seiner Kunst leben.
Hier zwei Beispiele für erfolgreiche Geisteswissenschaftler aus der Branche:
Martin Barkwitz studierte Literaturwissenschaft und Soziologie und ist heute ein erfolgreicher „Groschenromanautor“. Er hat bereits um die 150 Romane geschrieben, welche die Millionengrenze überschritten haben, und bezeichnet sich selber als „Vielschreiber“.
Ein anderes Beispiel für eine erfolgreiche Kulturwissenschaftlerin im Heftromanbusiness ist Anna Basener, die sich nicht nur dem Schreiben von Heftromanen widmet, sondern auch Bücher schreibt und Kurse gibt, wie man selber zum Autor wird. Wer sich dafür interessiert, findet hier den Link zu ihrem Buch „Heftromane schreiben und veröffentlichen.“
Mein Fazit:
Wer sich nicht daran stört, keine „richtige Literatur“ zu machen und einem genauen Schema zu folgen, findet  in der Branche des Heftautors eine attraktive Berufschance – oder ein passables zweites Standbein. Durch die eBooks hat die Branche definitiv eine Zukunft. Dank eBooks ist es auch möglich, Groschenromane selbst zu verlegen und zu veröffentlichen, ohne den Umweg über einen Verlag zu gehen. Jüngere Autoren werden gesucht, um auch eine jüngere Zielgruppe anzusprechen. Schreibbegeisterte Geisteswissenschaftler sollten diese Berufsaussicht auf jeden Fall ins Auge fassen.
Damit steht dem eigenen Happy End eigentlich nichts mehr entgegen.
Literatur:
Anna Basener: Heftromane schreiben und veröffentlichen, Berlin 2010
Anna Basener/Sascha Vennemann: Der Heftroman und wie man ihn verkauft, in: Sandra Uschtrin u.a. (Hg.): Handbuch für Autorinnen und Autoren, Inning 2015
Kathrin Buck: Der Heftroman. Historische, kommunikative und bibliothekarische Aspekte einer gering geschätzten Literaturform, Saarbrücken 2010
 

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